Same procedure as every year: Auch 2015 heißt es: 7 Tage, 7 Länder, 3700km. Dieses Mal begeben wir uns in unbekannte östliche Gefilde. Ljubljana, Split, Toskana, Weinberge…Wie immer von München nach Barcelona. Hier wie schon letztes Jahr chronologisch von Anfang bis Ende (Hoffentlich von Düsseldorf bis Düsseldorf)
Tag -365 bis -1
Kampf Geist Mensch Maschine.
Nach 5045 km ging nichts mehr. Die Rallye hatte tiefe Spuren hinterlassen. Am Mensch wie auch am Material. Zündung aus, Augen zu. Was beim Körper Wunder wirkt (oder wirken musste, denn der Ambulanzalltag hatte ein Teammitglied schon 14 Stunden später wieder fest im Griff), bedeutete für das Auto fast den Exitus. Gut, war vielleicht auch keiner unserer hellsten Momente, als wir uns entschlossen haben, den versifften, verstaubten, nassen Mercedes einfach abzuschließen und hinters Haus zu stellen. Jeder, der in Biologie nicht durchgeschlafen hat, weiß, was nun kommen musste:
Schimmel.
Der Benz diente quasi als große Petrischale, nur 4 Monate nach dem euphorischen Zieleinlauf standen wir vor der Entscheidung: Verschrotten, 2015 nicht antreten oder das Eisenschwein retten. Der geneigte Leser folgt uns bereits bei Facebook und weiß: Weder Kosten noch Mühen wurden gespart, der Benz hat seinen zweiten Frühling erlebt.
Für uns stand 2015 also unter dem Motto: Instandhaltung. Das bedeutete auch: Einiges selbst machen. Der Wagen wurde wurde „entschimmelt“, alles musste raus. Ungewolltes Gewichtstuning.
Ein Tipp für alle W201 Besitzer: Es bietet sich nicht an, die Ablaufpunkte der Karosserie zuzuspachteln. Dann steht das Wasser nämlich im Auto. Wusste der Vorbesitzer wohl nicht. Naja, nach vorne schauen, das Internet durchforsten und hier und da die W201 Innenausstattung zusammenkaufen (soviel auch zum Thema: Die Rallye München-Barcelona 2015 wird auf jeden Fall billig, ein Auto haben wir ja schon). Das Ende vom Lied: Ein fast fabrikneues Interieur in gewagtem Farbmix aus Schwarz-Grau-Blau.
Schimmel war unser selbst eingekauftes Problem. 28 Jahre Straßenlagerung hatten aber schon 2014 ein ganz anderes Problem aufgetan:
Rost. Überall. Vorallem in den Radläufen. Also auch hier eine Baustelle, die wir angehen sollten.
Da keiner von uns ein Schweißgerät bedienen kann ohne direkt zu erblinden, sämtliche Gliedmaßen zu verlieren oder im direkt das Blech an uns festzuschweißen, haben wir uns dazu entschlossen, diese Aufgabe abzugeben. Gesagt, getan. Unser Team: Die Autoverwertung am Kaarster Bahnhof. Nach Monaten (!!!!) den bangen Wartens kam der erlösende Anruf: Wagen geschweißt und mit neuem TÜV!.
Ab jetzt ging es in fast olympischen Schritten nach Vorne: Neue Reifen (Danke an das Team von Reifen Mona), neue Kühlerflüssigkeit (die Materialschlacht von Zaragoza war uns noch gut im Gedächtnis) und neue Bremsflüssigkeit (einige Pässe sind wir 2014 unfreiwillig zügig ohne Pedaldruck herunter gefahren) (beides Mal Dank an Jörg Fuchs aus der KFZ Werkstatt im Düsseldorfer Hafen). Neue Boxen und dazu auch ein 2000-alles-blinkt-in-blau-Radio. Neue Supersoaker. Blinklicht als kleine Sabotage Hommage. Neuer Scheibenwischer (werden wir so alt?). Unzählige Boxen um alles im Auto zu sortieren (Ich ziehe die Frage zurück, wir werden offensichtlich alt)….
Typisch Team Sabotage: So richtig haben wir erst an Tag -1 alles überprüft und eingekauft. Leider weiterhin bestehendes Problem: In N geht er beim Fall von 4000 U/min einfach aus. Unsere Lösung (wars ja auch schon 2014): Nicht zu langsam fahren. Wer braucht schon Leerlauf.
In 10 Stunden beginnt die Reise nach München. Mit kleinem Zwischenstopp in Frankfurt bei unseren Kollegen von Team Kanonenfutter. Wir haben auch ein kleines nostalgisches Gimmick an Board.
Tag 0
Unter Musikern behauptet man, dass eine schlechte Generalprobe einem hervorragenden Konzert vorhergeht. Wenn das nur im Ansatz stimmt, fahren wir als erste in einem strahlend weißen Benz in Barcelona ein. Düsseldorf-München in 10 1/2 Stunden (Mit Zwischenstopp bei Team Kanonenfutter).
4 Stunden Stop&Go. Was in jedem normalen Auto allenfalls nervig ist, ist im Eisenschwein ein elementarer Kampf. 32 Grad, wir haben anstelle einer gediegenen Klimaanlage eine immer laufende warme Lüftung, die uns im Zweifel dann auch den Sand von Zaragoza ins Gesicht jagt. Damit das Ganze nicht langweilig wird, hat der Benz sich dazu entschlossen, bei niedrigen Drehzahlen einfach auszugehen. Start/Stop Automatik nervt ja so schon, der Gedanke vor München zu scheitern macht das Gefühl um ein Vielfaches schlimmer. Nach 15 unfreiwilligen „Neustarts nach komplett Halt und zurück in P schalten“ haben wir beschlossen, nicht mehr weiter zu zählen. Das einzige was hilf: Zügig fahren. Das ist das Motto 2015. Dieses Jahr haben wir es auch mit wehenden Fahnen zur Akkreditierung geschafft. Nach dem Feierabendbier stehen also nur noch die Wecker morgen früh im Weg. Teammeetig 6:30. Da wirken die Arbeitszeiten plötzlich human….
Tag 1 – Tag 3
Ernüchterung. Retrospektiv ist das ein Wort das hängen bleibt. Trauer, Enttäuschung, Fassungslosigkeit – Worte die in den vergangenen Tagen nicht nur einmal die Runde im Team gemacht haben. Doch was ist passiert? Angefangen hat alles fantastisch: 6:30 Treffen am wunderschönen Nymphenschloss in München. RIESIGES Fahrerfeld (wir wussten von Cornelius, dass es dieses Jahr 77 Teams an den Start schaffen, aber mit eigenen Augen ist diese Zahl dann doch sehr gewaltig).
Erstes Briefing. Der Pulst rast, es geht los. Wie das so an einem chaotischen Start ohne Karte ist, treffen sich direkt drei verrückte Teams: Wir vom Team Sabotage fahren also ab heute Kolonne mit den Jungs von Red Pin Racing (Bild rechts) und HeadNutCheckers (Bild links). Letztere fahren, es geht kaum sympathischer, einen 190e Bj 86. Alles läuft. Wir verlassen gemeinsam Deutschland, tanken in Österreich, essen entspannt und planen die ersten Passstraßen (irgendwie muss man ja um die Drei Zinnen herumkommen).
Hier begann der Zerfall. Beim zügigen Fahren viel urplötzlich Gang 4 aus. Voller Drehzahlmesserausschlag in den Roten Bereich. Für eine Rentnerautomatik eher schlecht. Kurze Beratschlagung. Die Stimmung ist noch gut, wir sehen es sportlich. Autobahn fahren wir nicht, Kategorie 5 lässt Geschwindigkeiten über 10km/h nicht zu. Selbst Kat. 3 pendelt sich bei ca. 80 Km/h ein.
Dann der nächste Ausfall: Team Red Pin Racing verliert seinen Servo und seine Niveauregulierung. Luxusproblem (kleiner Nachtrag: Kein Luxusproblem, es hatte am Ende fast das Aus zu Folge. Die Jungs haben aber die Riemen neu gespannt, die Servopumpe vom Betreib genommen und das Problem meisterhaft gelöst.).
Dann kam es für uns Schlag auf Schlag. Erst ging der Wahlhebel nicht mehr in P und R, dann haben wir Gang um Gang verloren. Verzweifelt haben wir Öl nachgeschüttet. Das brachte kurzzeitige Besserung, unsere Stimmung war wieder da. Es lief. Dann doch wieder ein Tiefschlag. 200km vorm Tagesziel Ljubljana hatten wir nur noch Gang 1 zur Verfügung. Italienische Tankstellen arbeiten Samstags nicht (der faule Italiener mag ein Stereotyp sein, aber das am eigenen Leibe zu erleben tut weh), wir waren also auf uns gestellt. Unsere Partnerteams haben wir schweren Herzens von Dannen geschickt, alleine ging es also in die Nacht. Ein Gang, 4000 U/min, 40 Km/h. Ein Stundenlanger Kampf, auf der Rückbank die Angst des Scheiterns als ständiger Beifahrer. Wie auch immer haben wir es nach Ljubljana geschafft. Mit den besten Tankstellen der Welt auf dem Weg (auch hier der erschreckende Vergleich zu den Nachbarländern: vor der Grenze klein, ohne Shop und geschlossen – hinter der Grenze groß, hell beleuchtet, offen und mit einem Shop der so manchen Baumarkt in den Schatten stellt). Ehrlich gesagt war die Stimmung zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Tiefpunkt. Samstag Abend, was sollen wir jetzt noch reißen. Dann, aus dem Nichts, ein Lichtblick: Im Gespräch mit Thomas, Cornelius und Oliver vom OrgaTeam wurde der Getriebetausch als 4 Stunden-Job beschrieben. Notfalls zieht man uns auf die Fähre, dort kann man die Nacht durcharbeiten. Auch das macht die Rallye aus: Andere Teilnehmer verzichten auf schöne Passstraßen und fahren notfalls stundenlang Autobahn, damit alle Teams es nach Barcelona schaffen. Neues Missionsziel für uns: Getriebe finden. An einem Sonntag in Slowenien.
Hier sei ein kleiner Einschub zu Slowenien erlaubt: Noch nie haben wir (als Team zu Zweit und auch jeder Einzeln) ein Land so falsch eingeschätzt. Wer wie wir an unfreundliche Osteuropäer in Ladas und fehlender Infrastruktur gedacht hat, dem legen wir die 1200km Anreise nach Ljubljana wärmstens ans Herz. Selten haben wir so unglaublich freundliche und zuvorkommende Menschen erlebt. Da waren die Damen (Plural, wir haben in den zwei Tagen 4 verschiedene Rezeptzionistinnen kennengelernt, auf alle trifft das folgende zu) an der Rezeption unseres Hotels, die sich, ohne uns zu kennen oder einen erkennbaren Vorteil daraus zu ziehen, unsere Geschichte angehört hat und keine Sekunde gezögert haben und mit uns am Sonntag Morgen verschiedene Schrottplätze in der Umgebung angerufen haben. Dann der Taxifahrer, denn wir Samstagnacht um 2 Uhr angesprochen haben, da er einer der wenigen Mercedese durch Slowenien bewegt hat (auch hier ein falsches Stereotyp: Zumindest in Ljubljana fahren fast nur moderne Autos durch die Straßen). Ohne das wir Ihn bezahlt hätten hat er uns zu einem Imbiss gebracht und hat selber zu dieser unchristlichen Zeit versucht, 1-2 Mechanikerkollegen aufzuwecken. Als sei dies noch nicht genug der Geste, erhielten wir am Sonntag Nachmittag noch einen Anruf von Ihm, in dem er sich entschuldigte, dass er uns leider nicht helfen könne. Auch unser Abschlepper vom ADAC verbachte gut 60 Minuten mit uns, hat verschiedene Kollegen angerufen uns alles versucht, um uns den Weg nach Barcelona zu ebnen. In Ljubljana selbst hat es zwar geregnet, doch das mindert das Stadtbild der Wunderschönen Altstadt mit seinem kleinen teilenden Fluss nicht im Geringsten. Wer Zürich , Basel oder den Flair von Köln gepaart mit der Architektur von München schätzt, wird in Ljubljana eine wahre Perle finden.
Wo waren wir? Achja, Getriebeschaden. Wie zu erwarten ging am Sonntag nichts, wir wurden also zu einer Hinterhofwerkstatt in Sichtweite des Mercedeshändlers geschleppt. Wenn in Slowenien etwas geht, dann hier (gefühlt der O-Ton unserer Abschleppwagenführers). Die Stimmung war also „gehoben“, wir sind durch das wunderschöne Ljubljana geschlendert, haben gut gegessen und Abends Longdrinks genossen. Montag (Tag 2 in Ljubljana) war gefühlstechnisch eine Achterbahn. Schlimmer hätte es nicht sein können. 7 Uhr Wecker. Fragende Gesichter, die Stimmung ist undefiniert. Mit dem Taxi also zur Hinterhofwerkstatt. Dort angekommen (übrigens eine sehr sympathische Käferwerkstatt) die Ernüchterung: Alle sind irgendwie im Urlaub, anwesend nur der Vater des Besitzers (ca. 80 Jahre alt) und ein Freund von ihm (ca. 90 Jahre alt). Letzterer war so gebrechlich, dass er fast die Holztreppe heruntergefallen wäre. Auf gutem Englisch (das kann in Slovenien übrigens jeder) verweist man uns an die Mercedesniederlassung. Im Regen also über die Straße. Wir werden freundlich von der Rezeptzionistin empfangen (ehrlich gesagt: uns zwei Heruntergekommenen Sommerurlauber in kurzen Hosen hätte man in Deutschland bei Mercedes nicht hereingelassen), man bietet uns Cappuccino ein und schiebt uns zwischen die wartenden Kunden. Wieder etwas Hoffnung. Nach Fahrzeugabgabe aber der endgültige Todesstoß für das Team Sabotage:
Ausbau 3 Tage, Teile besorgen, Einbau. Gesamtzeit 1 1/2 Wochen, Kosten weit über 1000€. Damit lebt das Eisenschwein vielleicht weiter, aber nach Barcelona kommen wir nicht rechtzeitig. Die Entscheidung fällt schnell und einstimmig. Trotzdem schlägt die Stimmung durch den Fußboden.
Kommen wir zum deutschen ADAC. Als Plus Mitglied erhofft man sich ja einen gewissen Service, für irgendetwas zahlt man ja. Leider wurden wir hier auf voller Linie enttäuscht. Nicht genug, dass man unfreundlich war (Aussage Team Sabotage am Telefon „Wir haben einen Getriebeschaden“ Antwort am Telefon „Ja gut, was sollen wir da nun machen?“ (….) TS „Dann brauchen wir also einen Leihwagen“ ADAC “ Es gibt in Slowenien keinen Leihwagen mehr, da haben Sie Pech“.) Gipfle der Unverschämtheit war aber die Frage, warum wir nicht 1000€+ an Reparatur zahlen wollen würden und 1- 1/2 Wochen in Ljubljana warten würden. Entweder wir haben wirklich mehrere Mitarbeiter ohne technischen und auch „reisenden“ Verstand erwischt, oder der ADAC möchte aktiv auch nach den großen Skandalen der vergangenen Jahre seine Mitgliederzahl in den dreistelligen Bereich drücken.
Das Ende der ADAC Odyssee: Wir bekommen einen Mietwagen (das wird uns als Entgegenkommen verkauft, ist aber nun mal Plus Mitgliedschaftsleistung), den wir in Salzburg tauschen MÜSSEN, dann gehts mit einem zweiten Wagen nach Düsseldorf. Wir haben MAXIMAL 24 Stunden, für alles weitere kommt der ADAC nicht auf. Auch für einen zweiten Fahren eigentlich nicht. Wie eine Familie, die z.b mit einer schwangeren Frau und 1-2 Kinder im Urlaub war es organisieren soll, 1100km mit Wagentausch ohne bezahlte Übernachtung in 24 Stunden zu fahren, ist uns schleierhaft. Besser noch: Die Mercedeswerkastatt befindet sich GEGENÜBER der ansäßigen ADAC Filiale, trotzdem schafft man es aus Deutschland nicht, den Kollegen zu vermitteln, dass unser Fahrzeug 10m weggeschleppt werden muss und wir den Wagen verschrotten müssen (in diesem Fall: Einen Zettel unterschreiben, mehr nicht). Wartezeit für diese unglaublich komplexe Aufgabe: 4 Stunden. Nicht einfach so, sondern mit unzähligen Anrufen von uns. Ingesamt waren es bestimmt 15 Anrufe (in Worten FÜNFZEHN, nicht EINS KOMMA FÜNF. Fünfzehn wie die unfassbar hohe Zahl zwischen Zehn und Zwanzig) die uns fast in den Wahnsinn getrieben haben.
246225 KM nach seiner Auslieferung im Jahr 1986 verlässt uns unserer Eisenschwein auf einem Parkplatz vor der Mercedesfiliale in Ljubljana, Slowenien.
Wichtige Aufkleber und Accessoires (ja auch das Eisenschwein ist noch bei uns) haben wir natürlich für nächstes Jahr gesichert.
Bei all der Trauer verabschieden wir uns mit einem Bild, das zeigt, wie wir unser Eisenschwein in Erinnerung halten. Die Planung für die Rallye München Barcelona 2016 hat längst begonnen…..