Prolog
normalerweise schreiben wir sowas irgendwann im Februar. Jetzt ist Mitte Juli.
Es ist viel passiert, seitdem wir das Eisenschwein 2023 bei Hagen, unserem Mechaniker, auf dem Hof abgestellt haben. Oder irgendwie auch wenig. Das Leben hat wie immer andere Pläne. 2024 war keine Rallye drin, Skiurlaub mit beiden Familien (also Ben und ich + kompletter Anhang) kollidierte mit der MacAdam 2024.
Dann die Erkenntnis, dass es 2025 auch (das Rallye-Programm von Nina und Cornelius ist ja super vielfältig geworden – für alle was dabei) in den Osten geht. Die einzige Rallye, die wir nicht zu Ende gefahren sind (nachzulesen hier).
Ein Muss. BALKAN hieß für mich und Ben eigentlich Albanien, vielleicht Mazedonien. Als dann als Ziel GRIECHENLAND herauskam, waren wir ETWAS verwundert. Aber hey – längere Strecke, mehr Sonne, mehr Rallye.
„Bereits“ März 2024 hatten wir Hagen eine neue Hinterachse bestellt. Lange war nichts geschehen, da aber auch nichts geschehen musste. Hagens Hof ist groß, wir hatten keine Eile. Irgendwann im Alltag zwischen Praxisstress (neu, quasi selbstständig), Familienleben und Hausbau (ongoing) gerät das Eisenschwein in Vergessenheit. Das W123-Coupé steht seit einem Jahr abgedeckt in der Einfahrt, der Elektro-Leasing-Flitzer bestreitet seinen Alltag so perfekt, dass viel von dem, was uns an den alten Merceden (ist das der richtige Plural?!) begeistert, in Vergessenheit gerät.
Irgendwann Anfang 2025 ist es dann doch soweit. Wir gehen das „Projekt W124 Eisenschwein“ neu an:
Erste Schwachstelle: Ölwanne. Max aka Wüstenfuchs ist so nett und baut unsere um. Die alten Verankerungspunkte haben bereits 2× bei uns nachgegeben, wir fahren zu schnell, die Einschläge sind zu hart. Also: Alles „umschweißen“, verstärken und direkt in der Karosse verschrauben (lassen – ein RIESENDANK an Hagen, unseren Mechaniker (KFZ Richartz)).
Beim Zerlegen fällt sukzessive auf, was 1–2 Jahre Rallye mit dem Fahrzeug gemacht haben:
Hinterachse wollten wir neu, auch weil so ein geschweißtes Teil ggf. einer Sollbruchstelle entspricht. Alle Streben neu.
Hinterachsbremsen: Eine verliert Bremsflüssigkeit, eine ist zu. Immer wieder beeindruckend, mit wie wenig funktionierenden Teilen so ein alter Benz noch fährt.
Also: Bremsen inkl. Sättel neu.
Vorne: Spurstange, Getriebelagerung, Motorlager – auch hier Bremsen fest, aber gangbar machbar.
Größtes Update neben der Ölwanne: Stollenreifen. Und eine erneute Höherlegung – auch hier hat Wüstenfuchs-Max uns tatkräftig beraten (warum auch immer hatte Mercedes früher nicht einfach nur Teilenummern, sondern auch „Farbpunkte“, die bei gleicher Teilenummer nochmals die „Stauchbarkeit“ der Federn unterteilten. Versteht im Jahr 2025 keiner mehr, aber mit dem richtigen Input wurden auch die richtigen Federn gefunden).
Der Look: Perfekt. Auch wenn wir Angst haben, ihn nicht gedriftet zu bekommen. On va voir.
Kleiner Wermutstropfen: Der Wüstenstaub unter dem Fahrzeug hat gehalten. Als wären wir gestern noch Düne gefahren, hat er fest imprägniert den Gezeiten und zwei Wintern im Freien getrotzt.
Zeitsprung zu heute, 21.07.2025:
Ich stehe nach 2,5 h Zugfahrt auf Hagens Hof. Der Wagen steht noch beim Spurvermessen, es fehlt noch die Abdeckung der Benzinpumpe – der Zeitplan wie immer bis auf die Minute abgestimmt 😉
Beim „Spurvermesser“ angekommen: Einfahrt auf den Hof, im Sonnenschein hinten der Rallye-Benz. Man kann schlecht schreiben, was genau da passiert, ich will es auch nicht romantisieren, aber es ist ein Gefühl von „Zuhause“.
Rallye ist immer der beste Urlaub für den Kopf. Im Benz wurden zwischen uns schon unzählige Gespräche geführt – von lebensverändernden Entstehungen bis hin zu „man müsste sich eigentlich mal ’ne Lancia kaufen“.
Der Blick aufs Auto eher ernüchternd: Ich hatte schon vergessen, dass alle Rallye-Lichter-Hella-Abdeckungen gebrochen waren (erinnere mich nicht, schiebe es aber auf Eric), Schimmel im Fond und im Fahrerraum beim Gurt.
Einige Anzeigen final tot (Außentemperaturanzeige – pain in the ass zu wechseln), andere dafür erfreulich laufend. Teppich/Verkleidung der B-Säule nur noch „anwesend“, hält durch Staub und nicht mehr durch Kleber.
Im Kofferraum eine alte, ekelige Kühlbox (wir haben inzwischen upgegradet: Die Engel MR 040 mit wirklich EISKALTEM Bier hat uns seit der ersten MACADAM 2019 von Joni vom Team Maloni angefixt).
So ganz im Alltag, in normalen Klamotten, ohne Schweiß und Bierchen: Angenehm ist anders.
Tür auf, Fangband immer noch im Arsch (Austausch aber nervig aufwändig, Ersatzteil liegt seit 4 Jahren bereit), Schalensitz. Die ersten Meter Ungewissheit. Hatte Ben recht? Reifen direkt wieder verkaufen?
Nach einem kurzen letzten Check durch Hagen (hier was nachziehen, da nochmal draufhauen) geht’s zum TÜV → 30 Min Testfahrt.
Und es dauert keine 5 Min, dann ist alles wieder da.
Auch wenn das Radio nicht mehr geht (komisch, aber kommt das halt neu), alles echt dreckig ist – das Gefühl der Rallye ist wieder da.
Fenster auf, Sonnenschein → es ist zwar noch ein gutes Stück „Kleinarbeit“, aber: Rallye Balkans Goes East – wir kommen!
Seit 2016 wünschen wir uns im Auto mehr Bass. Nicht nur, um Musik satter klingen zu lassen, sondern auch, um diese typischen „Da-ist-was-kaputt“-Geräusche elegant zu übertönen. Kann ja nicht so schwer sein, dachte man. Doch wer keinerlei Verständnis für Strom hat, sollte vielleicht die Finger von gebrauchten Teilen lassen.
In der Theorie wirkt alles kinderleicht. In der Praxis sitzt man mit Kabeln in der Hand und fragt sich, wie das jemals funktionieren soll. Der gebrauchte Subwoofer ist so chaotisch verkabelt, dass wir kurzerhand beschließen, alles neu zu verlegen. Strom, Masse, ein Relais, Schaltung auf Zündung – klingt simpel. Wäre da nicht die kleine Tatsache, dass 2017 schon mal jemand dieses Problem elegant für uns gelöst hatte: mein damaliger Schwiegervater Heino. Er hat die Zusatzlampen eingebaut, wir standen daneben, nickten fleißig und murmelten „aha“ und „mhm“. Mit echtem Wissen hat das leider wenig zu tun. Und das rächt sich jetzt, acht Jahre später.
Google muss ran. „Was ist ein Relais?“ „Wie funktioniert es?“ „Wie verkabelt man es im Auto?“ Für einen kurzen Moment habe ich das Gefühl, wirklich etwas zu begreifen. Euphorisch denke ich: Jetzt muss es einfach angehen! Doch die Realität zerstört diese Erwartung sofort. Mal passiert gar nichts. Mal zu viel. Immerhin: Das Auto brennt nicht.
Wie der Zufall es will, ist der neue Fast-Schwiegervater Elektromechaniker. Also darf er ran. Er misst, prüft, runzelt die Stirn – für mich nach wie vor ein Mysterium. Von außen wirkt es so, als würde man ein Multimeter willkürlich irgendwo ansetzen und hoffen, dass die Anzeige das Richtige zeigt. Standardritual aller Elektromechaniker, so scheint es: Erst einmal ausführlich über Kfz-Elektronik schimpfen.
Nach vielen „Ahas“, „Mhms“ und einem „Das kann so gar nicht gehen“ ist die Fehlerquelle schließlich gefunden: Die Masseverbindung – also Minus – war nicht richtig bündig. Nach ewigem Hin und Her, Sicherungen rein, Sicherungen raus, passiert das Unglaubliche: Der Bass lebt. Und wie. Dazu läuft auch das neue Radio, das alte hat schlicht den Geist aufgegeben. Die Kabel verschwinden ordentlich im Kabelschlauch, bis nach vorn in den Innenraum. Alles sitzt.
Normalerweise packe ich drei Wochen vorher. Diesmal nicht. Während ich diesen Text schreibe, sind es zehn Stunden bis zur Abfahrt: Osnabrück – Düsseldorf – München. Der Koffer ist leer, der Kopf voll. Patchwork-Alltag at its best: Mini-Me schläft oben, morgen sitzt er bei Etappe 0 mit im Rallye-Auto.
Und bis zur letzten Sekunde hatte uns der Alltag in der Praxis fest im Griff. Jetzt also: Rallye-Modus.
Tag 1 (Rosenheim (DE) – Udine (IT), Briefing bis Ankunft 14h)
Reinkommen. Es flutscht noch nicht. Die Anreise war eigentlich gut – bis auf Probleme beim „Kaltstart-Leerlauf“ (der Wagen geht dann einfach aus). Kurze Panik, viel Google → lässt sich erfreulich gut mit Bremse + Gas lösen.
Der Sonntag war sonnig, wir saßen im Biergarten. Alte Bekannte wiedergetroffen (sowohl in München noch aus dem PJ als auch bei der Akkreditierung → stolze 76 Veteranen-Teams von 115!).
Der erste Tag ist ja eigentlich immer irgendwie „Meter machen“. 2025 ist am ersten Tag aber auch ein Flussbett Kat. III mit drin – das „verwirrt“ und macht zugleich viel Hoffnung. Wir sind mit Team Fidi/Stefan unterwegs, zu uns haben sich Team TripNuts und Team RoteRakete gestellt. Letztere fahren zum ersten Mal, in einem geschenkten SLK-Cabrio, sind komplett verschallert, aber haben Bock, mit 190 Kompressor-PS zu driften. Geschenktes Auto, (noch) keine emotionale Bindung, Bock auf schnelles Fahren: perfekt. Am Ende (etwas übersentimental vielleicht, aber es ist Tag 1 und wir hatten ein Jahr Pause) erinnern uns die Beiden schon einwenig an uns selber 2014.
Zwischen uns und dem Ziel (also der Kat. III) liegen aber drei Stunden Autobahn und gefühlt fünf Stunden Serpentinen. Was 2014 noch Spaß gemacht hat, wird elf Jahre später eher zur Tortur. Ich (Oliver) scheine als Beifahrer so etwas wie eine Kinetose entwickelt zu haben (viel Spaß beim Googeln – das Thema Schwindel ist auch unter HNO-Ärzt*innen eher verhasst). Bildlicher Befund: Es regnet in Strömen, mein Kopf hängt aus dem Auto. Ich schlafe zum Glück und Unglück immer wieder ein – beim Aufwachen holt mein Kopf dann alle Bewegungen innerlich nach (fühlt sich zumindest so an).
Passend zum Flussbett scheine ich aber aufzuklaren → Fahrerwechsel. Alles abschütteln, was die letzten drei Stunden hinterlassen haben: Alltag raus, Rallye-Modus rein. Funktioniert.
Die SLK-Jungs fahren eine Mischung aus „mir egal“ und „nicht alles zerstören“. Wir gewöhnen uns mit hohem Tempo an die neue Fahrwerks-Reifen-Kombi, die in den Serpentinen fast zu einem Dreher geführt hatte. Über- und Untersteuern scheinen gleichzeitig zu passieren. Im Schotter der Kat. III verfliegen die Ängste erfreulich.
Wer denkt, dass unser Fahrzeug hoch ist, sollte sich die drei 1st-Gen Porsche Cayenne V8 angucken. Mehr dazu im Laufe der Rallye (wir sind skeptisch!). Die sonst sehr deutlichen metallischen Einschläge unter dem Auto weichen dem harten Einfedern unserer Stollenreifen im Radhaus. Wo wir bisher eher vor diesen Einschlägen Angst hatten, denkt man jetzt eher ans Überschlagen. Der Wagen ist schnell, pariert viel und driftet von alleine. Stefan (Fidis bessere Hälfte) ist eigentlich Zwei-Rad-Mechaniker und fährt zum ersten mal mit. Da will man ja nicht „pushen“. Als wir über Funk uns „10-15kmh Steigerung“ gewünscht hatten, zeigte Stefan jedoch sehr schnell, dass er ziemlich genau weiß, wie man seinen Allrad-Audi-Kombi zügig bewegt. Nice.
Wir passieren das Flussbett fast ohne Vorkommnisse – außer, dass wir uns obligatorisch mehrfach verfahren. Danach eine Stunde Ausrollen nach Udine. Im Fahrerfeld haben sich wohl mehrere festgefahren, Federn gerissen, Keilriemen verloren. Für Tag 1 schon eher viel.
Hotel – Dusche – italienisches Essen. Morgen dann 07:00 Uhr
Tag 2 – Udine nach Senj (wieder 14 Stunden, diesmal mit Mittagspause im Restaurant)
Manche Texte fließen leichter als andere. Die Nacht war kurz. Gegen 2:30 Uhr versuchte jemand rund eine halbe Stunde lang, eine Mülltonne direkt vor unserem Hotelfenster zu entleeren. Trotz schönem Hotel: wenig Schlaf.
Nach dem Briefing ging es zurück ins Hotel für ein Croissant-Frühstück, dann stand der Tag richtig an: 7 Stunden Schotter, Kategorie III.
2 Stunden Anfahrt, anschließend 5 Stunden Wald-Schotter-Action. Wir lernen unser „Eisenschwein“ neu kennen – und lieben. Die Stollenreifen zeigen, was sie können: Grip, wo man ihn braucht, Schlupf, wo man ihn will.
Sven und Alex sind genauso schnell unterwegs wie wir, nur 40 cm tiefer als wir – und ohne Rücksicht auf Verluste. Mitten in unserer Drift-Schredder-Euphorie meldet sich die Hinterachse: ein infernales Schleif-Quietschen-Rappel-Schrapp. So verstörend, dass wir nicht einmal den Bären (!!!) bemerken, der die Strecke direkt hinter uns kreuzt.
Wir, die Truppe der Halbwissensträger, stehen ratlos herum, tauschen unser vermeintlich technisches Know-how aus – und beschließen schließlich: Das Geräusch fährt sich einfach „weg“. Gesagt, getan. 20 Minuten später rauscht es wieder nur im Takt des Techno-Beats.
Zum Mittagessen rollen wir entspannt ins Restaurant. Ein Blick in die große Rallye-Truppe zeigt das übliche Bild:
ein W124 mit zerlegter Bremsscheibe (offensichtlich raus)
ein ML mit Motorschaden (Ferndiagnosen aus zehn Richtungen aus der Gruppe inklusive) (auch ein Totalschaden)
diverse Keilriemen und Wasserpumpenprobleme – wie schon am Vortag.
Zum Abschluss gibt es noch einmal 2 Stunden Kategorie III–IV. Hier zahlt sich Max Wüstenfuchs’ Tipp aus: Die Höherlegung bewährt sich, wir parieren alles auch bei hohem Tempo, Einschläge hört man nicht mehr.
Jetzt sitzen wir entspannt im Hotel. In 30 Minuten geht’s zu acht (TripNuts, Fidi/Stephan, Alex/Sven und wir) zum Essen. So langsam sind wir endgültig im Rallye-Modus angekommen.
Tag 3 – Senj – Trogir (KR) (wieder irgendwie 7–20 Uhr, scheint einfach jeden Tag so zu sein)
Oft schreibe ich die Texte zumindest thematisch schon im Auto in meinem Kopf. Jeder Tag hat sowas wie ein „Thema“ und wenn wir einen Cut um 15 Uhr gemacht hätten, läse sich der Text eigentlich wie gestern. Ein bisschen Prolog, Spannungsaufbau, Ausrollen lassen. Wenn es so wäre.
Der Morgen beginnt im Regen, daher fällt es kurz aus. Ein W124 ist gestern in der Wald-Etappe „ausgeschieden“ (ich würde ja „zerschellt“ sagen, aber ok), im Abschnitt dahinter hat es Desert Hunters zerlegt. Bremsfehler, Folgefahrzeug war nah dran und musste ausweichen, Vorderbau hin und Hinterachse krumm. Die Jungs können Auto fahren, wir kennen die ja. Passiert also. Und da die auch geisteskrank gut schrauben können, haben die einfach die Hinterachse eines Audi A4 Avant auf einem Metro-Parkplatz gewechselt. Klar.
Wo waren wir? Ja genau, Prolog. Also → zum ersten Mal steigen wir quasi direkt nach der Stadt in eine Kat III ein. Hier zeigt Stephan (wir glauben mit ph!?) dass er eben nicht nur Zweirad-Mechatroniker-Meister (ok, zugegeben, wir haben die Jobbezeichnung vergessen) ist, sondern KRASS gut Auto fahren kann. Der Allrad-Vier-Ringe-Kombi prügelt so schnell ohne Höherlegung voran, dass wir eigentlich durchgehend Vollgas fahren. Was dank unserer Bereifung und dem leicht feuchten Untergrund RICHTIG Spaß macht. Man hätte also heute das „Thema“ Stephan widmen können. Kommt noch.
Wir schrauben uns also nach der ersten netten „Morgens-Kat III“ (sowas wie ein Amuse-Gueule für Rallye-Fahrer) wieder durch die Landstraßen, um endlich zur „5h-Schredder-Stein-Kat III“ zu kommen. Soviel haben wir heute Morgen beim Briefing zumindest mitbekommen. Sven aus dem SLK nimmt kurz auf dem Beifahrersitz des Eisenschweins Platz, ich (Oliver) fahre. Das letzte Mal saß Aylin neben mir, da hat es exakt zwei Kurven gedauert, bis ich übermütig im Graben gelandet bin. Heute: Der Benz pariert dank Stollenreifen und Fahrwerksupgrade alles. Keine Einschläge, das beschert allen Anwesenden ein breites Grinsen.
Hier und da immer wieder ein paar Frischgetränkepausen, wir passieren das Fahrerfeld, das Fahrerfeld passiert uns. Nach schier endlosen echt schnellen Passagen (erwähnten wir, dass Stephan wirklich unfassbar gut Auto fährt? Muss von Fidi abgefärbt sein. Und Fidi hat’s ja eh aus dem Team Sabotage) wollen wir die letzten 2h Piste nehmen (der geneigte Leser erkennt den Spannungsbogen):
Plötzlich potenzieller Defekt am SLK. Ein neues mahlendes Geräusch (zieht sich durch die Rallye). Radlager schließen wir gemeinsam mit extrem viel Halbwissen aus. Bleibt eigentlich nur das Diff und die Kardanwelle. Was tun? Wir stehen am Straßenrand, es ist schwer. Wir bocken zwar auf, fahren Probe, rütteln an allem rum – wir sind ja nicht die Desert Hunters. Also Werkstatt. Langsam. Erstaunlicherweise scheint sich das Geräusch aber wieder „abzuschaffen“. Praktischerweise treffen wir auch noch Wüstenfuchs-Max, der uns nach einer kleinen Probefahrt mit einer Zeichnung erklärt, dass es „ziemlich sicher“ die Handbremse ist, eh „typisch für die Baureihe“. War’s bei uns gestern auch. Hören wir in 8 Jahren Rallye nun zum zweiten Mal. Von „Ok, die Rallye ist vorbei, fuck die Kardanwelle, FUCK IT“ zu „Lass mal endlich auf die Piste“ in 20 Minuten – Geschichten, die die Rallye schreibt.
An einer schnellen Kuppe (eine wie zig davor) schlägt die Physik in Form des Lastwechsels zu. Auch der „Almighty Quattro“ kann hier nicht gegenregeln und die Physik aushebeln. Da wir nah dran sind, sehen wir alles wie in Zeitlupe (was man ja immer macht, aber es waren wirklich 100 m). Der Weg hat nur eine Fahrzeugbreite, erst schlägt das Heck nach rechts aus, dann kommt der Gegenlenker. Der Audi steht in vollem Tempo fast quer zur Fahrbahn (fuck, die arme Fidi). Stephan hat aber so viel Gespür fürs KFZ, dass nach zwei weiteren Rechts-Links-Bewegungen (zugegeben mit etwas härterem Kontakt zur „Umgebung“) der Wagen sicher ausrollt. WTF. Wir sind uns im Nachhinein einig, dass wir das vermutlich nicht so hinbekommen hätten … daher widmen wir den Eintrag Stephan und nicht dem SLK.
Vorne Kontakt, Front und Beifahrerseite hinten zeigen „Kaltverformungs-Tendenzen“ → nichts, was Duct Tape nicht löst. Nachdem der Schreck abgeschüttelt ist, die Geräusche im SLK nach einem harten „Wir sind aufgeschlagen“ nun auch ganz weg sind, beschließen wir, „nach Trogir“ ausrollen zu lassen. 1,5 h Cruising, Sonnenuntergang, Bierchen kaufen.
Was ein Tag. Tag 3 von 11. WTF.
Tag 4 – Trogir (Kroatien) nach Mostar (Bosnien) (wieder 7:00–20:30 Uhr)
Ein Tag ist immer Urlaub. Mitten in der Rallye kommt dann dieser Moment: Sonne, Baden, Leichtigkeit – und man denkt plötzlich, es wäre Ferienzeit. Heute könnte so ein Tag sein.
Die Nacht war gut, die pittoreske (dieses Wort ist ausschließlich für Nina und Cornelius – falls sie das jemals lesen) Altstadt von Trogir liegt im warmen Sonnenlicht. Der Himmel ist strahlend blau. Der „Specialty Coffee“-Laden hat nicht nur fünf separate Mühlen, sondern serviert auch fantastischen Flat White. Urlaub, oder?
Die Frühbesprechung hat wieder alles dabei: Team Desert Hunters hat gestern nicht nur die Front ihres Wagens gewechselt, sondern auf dem Metro-Parkplatz – ohne Hebebühne – auch die komplette Hinterachse. Klar. Easy.
In unserer Vierer-Truppe wird „demokratisch“ entschieden, die erste Etappe mit Kat. III–IV zu skippen. Begründung: „Hinten raus gibt’s ja noch welche, sogar Kat. IV+.“ Wir kapieren das nicht – „hinten raus“ bedeutet eigentlich immer „abends“ … und da ist man mental wie körperlich längst zerschreddert. Bevor die Stimmung kippt, holen wir lieber ein gutes Frühstück und ziehen ins Landesinnere. Ziel: ein Badesee (immer ein gutes Indiz für „Urlaub“), unterbrochen von einigen Kat.-II-Abschnitten.
Zwischendurch Tankstopps und kleine Reparaturen: Stephan wechselt in mühseliger Fasson die defekte Blinkerbirne, was wir nicht so ganz verstehen, da zeitweise komplett ohne Licht fahren mussten. Naja. Die Chaos-Truppe im roten SLK (dass ich an Tag 4 schon ihre Namen kenne – Sven und Axel – zeigt, wie sehr wir uns ähneln; wer mich kennt, weiß: Namen und ich = Jahre) fummelt wieder im Motorraum. Schläuche werden geflickt und isoliert. Wir stehen eigentlich nur in der Sonne und reichen Teile. Immerhin. Da die Kühlwasseranzeige gestern kurz aufleuchtete, kippen wir nochmal 200 ml nach – was nicht reicht, wie sich später zeigt.
Alle Teams biegen in einen alten Steinbruch ab, Spielplatz für Rallye-Autos. Ein Subaru setzt beim Versuch eine Steigung zu bezwingen erst hart auf, springt dann über die Schanze, hebt komplett ab und schlägt auf – Defekt? Nur die Motorhaubenspaltmaße. Vielleicht ist der Ruf dieser Autos wirklich gerechtfertigt. Wir selbst drehen ein paar Heckantriebs-Kreise, scheitern aber an einem größeren Berg mit Steigung mehrfach (trotz überragender Fahrerischer Fähigkeiten). Zu viel Gewicht, zu wenig Leistung.
Der Grenzübergang nach Bosnien verläuft fast schon europäisch unspektakulär. Direkt danach: der Badesee. Wie schon auf der La Iberica finde ich (nicht wir!) dort natürlich wieder einen Hund, den ich am liebsten mitnehmen würde.
Nach der Erfrischung verabschieden sich die TripNuts im Berlingo – nicht gemacht für die kommende Kat. IV. Es ist wie immer 16:30 Uhr beim Einstieg. Kat. IV ist am Ende, egal wie Mans dreht und wendet eine Kat IV. Bedeutet: ein SUV-Eisenschwein, ein Allrad-Audi in Serienkonfiguration und ein von Haus aus tiefer SLK. Gutes Gespann. Wir dürfen ein bisschen vorheizen, warten aber brav. Zäh wird’s trotzdem: Spurrillen bis zu einem Meter tief. Aber wir kämpfen uns durch – und völlig unverständlich schafft der SLK tatsächlich alles. Vielleicht steckt in Sven und Alex doch fahrerisches Talent. Ihre sauberen Drifts sprechen jedenfalls dafür.
Natürlich passiert das Unvermeidliche wieder im unpassendsten Moment: An einer der vielen Kanten reißt es dem Audi von Stephan und Fidi den Auspuff ab. Der kleine Riss zwischen Flexrohr und Kat verbessert zwar den Sound außen enorm, innen kann man sich aber nicht mehr unterhalten. Also im Schneckentempo mit Bierchen in der Hand die Kat. IV runter – wäre uns vermutlich erspart geblieben, hätten wir sie schon morgens gefahren 😉
In der Dunkelheit eine Kat. IV+ zu fahren, macht dann auch uns keinen Spaß mehr. Umso glücklicher sind wir, als erst der Schotter, dann der rettende Asphalt auftaucht. Zu dritt rollen wir nach Mostar ein – Team Tuttifrutti unüberhörbar: Wenn man neben ihnen an der Ampel steht, vibriert sogar unser Auto leicht.
Mostar: wieder eine wunderschöne Altstadt, Kopfsteinpflaster, Burgcharakter. Da ist er wieder dieser Urlaub.
Ach ja, fast vergessen: Ein Team hat sich den Querlenker gebrochen – wurde selbstverständlich auf der Kat. IV geschweißt. Klar. Wo auch sonst? Werkstätten sind seit der Hinterachse-auf-Metro-Parkplatz-Aktion eh verpönt.
Tag 5 – Mostar zum Rallye-Camp in Montenegro
„Sump usitnjeno“ – bosnisches Tagesmotto von Team RoteRakete um Sven und Alex (Rallye-SLK, gestern noch unzerstörbar). Für alle, die wie wir im Bosnischunterricht gefehlt haben: Ölwanne zerschreddert.
Der Tag beginnt eigentlich wie so oft malerisch. Cornelius erzählt – mit der berühmten Brücke von Mostar im Rücken – von herrlichen Kat-III-Strecken, Wäldern rauf und runter, Seen, verrückten Grenzübergängen. Was will man mehr? Doch wie so oft kommt alles anders.
Nach einem gemütlichen Frühstück (wir haben übrigens in einem Museum übernachtet – passiert, wenn man beim Buchen nicht so genau hinschaut) stoßen wir zu Team Tuttifrutti (Stephan und Fidi), die ihren Auspuff bereits wieder in Werkszustand zurückversetzt bekommen haben. Helfende Hände kamen von einem Schweizer Team, das gefühlt eine komplette Werkstatt im Gepäck hat: Schweißgerät, Flex, Schlagbohrer, Akkuschrauber, sämtliche bekannten Bolzen, diverse Höherlegungskits – eben alles, was man so „dabei hat“. Da man „ja eh schon am Schrauben ist“, wird nebenbei das eigene Fahrzeug noch höhergelegt. Um 9 Uhr morgens. Für Ben und mich am beeindruckendsten: Die beiden Jungs schrauben autark an zwei völlig unterschiedlichen Stellen, wissen aber genau, was der andere gerade macht oder gleich brauchen wird. So sieht es aus, wenn man wirklich Ahnung hat.
Wir starten also wie immer zu viert in die Kat-III. (Fast schon nicht mehr erwähnenswert angesichts des Folgenden: Bei der kurzen Wartezeit überbrücken Ben und ich erfolgreich unseren defekten Kühlmittelstandssensor und stellen – vermutlich korrekt – die Diagnose: Sensor kaputt.) Zehn Meter nach dem Start geschieht das Unglück. Wir, als Führungsfahrzeug, merken zunächst nichts. Nach fünf Minuten wilde Rufe im Funk: „Stopp! … ihr verliert Kühlwasser!“– Panische Blicke auf die Instrumententafel. Nur: Wo soll man hingucken? Die Kühlstandsanzeige leuchtet ja wegen des Defekts ohnehin permanent, die Temperaturanzeige ist seit zwei Jahren durch Digitaldisplay ersetzt, und der Öldruck im W124 fällt beim Bremsen von 3 auf 2 – was den Puls nicht gerade beruhigt.
Dann die (egoistisch für uns, sorry) Entwarnung: Nicht wir. Es ist der SLK. Und es ist kein Kühlmittel, sondern Öl. FUCK. FUUUCCCKKKK.
Wir kehren um. Die Gesichter von Sven und Alex sprechen Bände. Für sie ist die Rallye im Kopf schon vorbei. Ein Blick unters Auto bestätigt ein uns nur allzu bekanntes Bild: Überall tropft Öl. Die Spur verrät: Von den 5 Litern dürfte kaum mehr als ein Rest im Motor sein. Nach kompliziertem Aufbocken zeigt sich: Ein daumengroßes Loch an der vorderen Kante, ungünstig gelegen, zwischen Rippen und quasi ein mehrdimensionalem Bruch. Erwähnte ich FUCK?
Problem zwei: Wir stehen mitten im Nirgendwo. Kat-III/IV, kein Handyempfang – in Bosnien. Ersatzteile für einen 1997er SLK? Selbst in Stuttgart schwierig.
Ben und ich erinnern uns an 2016: Damals hatten wir unser erstes Loch mit Cola-Dose und Metallknete geflickt. Also wieder Plan A. Zur Sicherheit schicken wir Stephan und Fidi zurück in die Stadt, um Hilfe zu suchen. (Dort jagen ohnehin schon mehrere Teams nach Werkstätten. Sogar Allmighty Axel mit seinem Peugeot muss wegen Getriebeproblemen auf Fremdhilfe zurückgreifen.)
Der Plan steht: sauber machen, Colaflasche anpassen, andrücken, ankleben, aushärten, Öl rein, weiterfahren. Alternative: über 1 km Kat-III/IV bergauf schleppen, dann Landstraße. Während wir verschiedene Cola-Varianten zurechtschneiden, bastelt Stephan aus einer gefundenen Regenrinne eine Art Abdruck – handwerklich beeindruckend, fast eines Spenglers würdig, aber am Ende zu steif. Also zurück zur Cola. Ankleben klappt gut, denken wir zumindest. Jetzt warten. Zeit für Bierchen und Quatsch.
Metallknete wird eigentlich erst nach 24 h richtig fest. Ben und ich meinen aber, 2016 schon nach 2 h gefahren zu sein. Also 1,5 h warten (Geduld war noch nie unsere Stärke). Die Schweißer-Werkstatt-Crew fährt vorbei, wirft einen Blick unters Auto, lacht laut los – so etwas hätten sie auch noch nicht gesehen. Wir nehmen’s sportlich.
Doch der erste Test „schütt einfach mal 3 Liter Öl rein“ zeigt: Wir waren nicht gründlich genug. Öl also wieder raus, letzte Rolle Knete auf alle übersehenen Stellen, erneut warten. Wieder Bierchen.
Zwischendurch schlechte Nachrichten von Fidi und Axel: Keiner kann heute Alu schweißen, Ersatzteil auch nicht aufzutreiben. Startversuch zwei, Puls auf Anschlag. 5 Liter Öl rein – alles trocken. Nun die Frage: Hält das auch bei 3 Bar Öldruck? Motor an. Keiner will hinschauen. Aber: Alles dicht. YES. Wir haben es geschafft.
Für uns noch wichtiger: Wir hatten einen Plan – und er hat funktioniert. Auf der 30-minütigen Fahrt zu den anderen durchspielen wir verschiedene Szenarien. Ben hat über einen kroatischen Oberarztkollegen jemanden zum Alu-Schweißen organisiert (offensichtlich doch kein Hexenwerk). Rücksprache mit Wüstenfuchs-Max bestätigt: Wenn die Knete hält, lassen wir es so. Denn auch geschweißt bleibt die Stelle bei einem neuen Einschlag Sollbruchstelle.
Tankstopp: Alles trocken. Da es schon 16:30 ist, fassen wir den nächsten Plan: Metallknete nachkaufen und etwas, um den Unterfahrschutz umzubauen. Mangels Blechen kaufen wir kurzerhand ein Metall-Küchenspülbecken. So eine Rallye macht erfinderisch.
Und als wäre das nicht genug, folgen fast 5 unerbittliche Stunden durchs dunkle Hinterland zweier Länder. Keine Straßenbeleuchtung, nur wir und die Milchstraße. Und – wie sollte es anders sein – die Schweißer-Crew, die uns an der Grenze wieder einholt. Während wir „nur“ ein Loch geflickt haben, ist bei ihnen erst der Dämpfer geplatzt und dann der Querlenker gebrochen – natürlich haben sie auch das binnen einer Stunde wieder zusammengeschweißt.
23 Uhr. Ankunft im „Apartment“. Rallye-Camp-Abstecher gestrichen. Keine Energie mehr für irgendwas.
Tag 6 – Rallye-Camp nach Ulcinj (wie immer 7:00 bis 21:30)
Die Nacht ist kurz, der Schlaf dafür umso tiefer. Wir wachen – mal wieder – in einem Skigebiet auf. Scheint ein Faible von Cornelius zu sein. Auch Tag 5 ist nicht spurlos am Fahrerfeld vorbeigegangen: Neben unzähligen Reparaturen gab es zwei weitere Totalausfälle. Leider auch Axel und Susanne, die sonst eigentlich alles repariert bekommen. Aber Lagerschalen für ein Getriebe eines seltenen Peugeot? Keine Chance.
Nach dem Briefing machen wir uns daran, den Unterfahrschutz für den „Mighty SLK“ (überhaupt krass, dass der noch fährt) aus einem Blechwaschbecken zu bauen. Idealer Ort: hinter einem Supermarkt. Dachten wir. Der alte montenegrinische Sicherheitsmann fand das allerdings nicht so. Da wir weder seine Sprache sprechen noch er unsere, und man mit Waschbecken und Metallschere in der Hand auch keinem Normalsterblichen erklären kann, was genau wir da vorhaben, versuchen wir’s mit: „Dauert sicher nur zehn Minuten.“ Dass dann zu uns vier Teams noch drei weitere dazukommen – unter anderem die österreichische ChaosBrigade um Leopold, die schon bei unserem Achsbruch in Marokko dabei war – macht die Situation nicht gerade übersichtlicher.
Alle packen mit an. Die Österreicher haben eine Flex dabei und wissen, was sie tun. So langsam spielt sich auch bei uns so etwas wie „Arbeitsteilung“ ein: Aufbocken und Epoxykleber erneuern die einen, Schutz zuschneiden und mit Schrauben fixieren die anderen. Der anfangs skeptische Wachmann hat entweder aufgegeben oder langsam Gefallen an unserer Aktion gefunden – jedenfalls beugt er sich immer wieder unters Auto und lacht. Nach etwa einer Stunde ist alles soweit, dass wir endlich starten können.
Erst viel Kat III, dann schauen, wie es allen geht. Dann Kat IV, wieder schauen, dann vielleicht Kat IV+. Wir schrauben uns gemeinsam durch Wälder, karge Landschaften, hoch und runter, immer weiter. Die Landschaft wechselt so oft, dass man kaum hinterherkommt. Irgendwo beim Übergang von Kat III zu IV versagt die Kupplung des SLK. Wir bekommen es nicht mit, da wir ggf. doch etwas zügiger unterwegs waren. Erst als der SLK nicht mehr halten kann und im ersten Gang an uns vorbeizieht, merken wir, was los ist. Statt Kat IV+ geht’s für ihn direkt per Kat II ins nächste 2000-Seelen-Dorf. Geberzylinder? Nehmerzylinder? Alles denkbar.
Wir beschließen mit Fidi und Stephan, die Kat IV+ zu fahren. Auch weil Cornelius (den wir auf Kat III zufällig trafen – fragt nicht, das Streckensystem war heute ein wildes Durcheinander) meinte, sie sei „vor allem lustig matschig“. Der Einstieg ist hart: schroffe Steine, harte Einschläge. Im „W124 6×6“ weniger ein Problem, aber selbst wir hören ungewohnte Geräusche. Beim Audi schon eher ein Thema: Der frisch geschweißte Auspuff reißt wieder, die Stimmung fällt mit der abgerissenen Naht.
Fidi und Stephan wollen umdrehen, wir wollen weiter. Kurz treffen wir nochmal die Österreicher. Anekdote am Rande: Sie hatten sich festgefahren, weil ein Cayenne mitten auf der einspurigen Strecke einfach angehalten hatte. Nicht nett. Der österreichische Kommentar dazu war lang, breit und in tiefstem Dialekt – wir verstanden vielleicht 15 %, den Rest machten Schimpfwörter aus.
Am Ende machen wir das, was man eigentlich nicht tun soll: allein weiterfahren. Nach vielen tiefen und matschigen Passagen holen wir den Cayenne doch noch ein – zusammen mit einer S-Klasse, die im Tandem fährt. Eigentlich wollten wir ein Loblied auf unsere Stollenreifen singen, aber wenn eine 20 Jahre alte S-Klasse mit Werksbereifung das auch schafft … naja.
Wo man hochfährt, fährt man auch wieder runter. Aus Kat IV+ wird schnell Kat III, dann Kat II.
Irgendwann haben wir wieder Empfang. Die SLK-Jungs haben es ins Dorf geschafft und eine Werkstatt gefunden, die in 1,5 Stunden anfangen will. Diagnose: Luft im System. Ben und ich sind im Eisenschwein etwas enttäuscht – sowas macht man nicht in der Werkstatt. Wir stoßen zu den Jungs und überreden sie, dass wir es direkt vor Ort für sie machen.
Sven meint, er habe das schon hundertmal gesehen – allerdings macht er in seiner Werkstatt eigentlich Büro. Vielleicht hätte uns das warnen sollen. Vorgehen einfach: Aufbocken, Ablassschraube auf, oben drücken und pumpen, Luft raus, fertig. Man könnte meinen, die Jungs hätten die zwei Stunden Wartezeit genutzt, um sich schlau zu machen. Aber das wären dann nicht die Chaos-Jungs vom SLK. Also ran mit 200 % Halbwissen. Da Ben und ich nur 100 % Halbwissen haben und Rumstehen nicht unsere Stärke ist, übernehmen wir.
Schraube auf, Pumpen – und mit jedem Tritt tropft heißes Getriebeöl auf mich. Klar, dafür gibt’s den berühmten „Schlauch zum Drüberstülpen“. Das Pedal wird fester. Und nun passiert, was fast immer passiert: Unwissenheit gepaart mit Rallye-Übermut. Wir sind uns sicher, es „noch besser“ zu können, wenn wir das ganze System entlüften. Also: Schraube auf, 20-mal pumpen. Bis der Behälter leer ist. Auffüllen. Läuft? Pustekuchen. Nichts geht mehr.
Wir haben also – mal wieder – etwas, das schon repariert war, kaputt gemacht. Ratlosigkeit. Ich google. Vier-Minuten-Video. Erkenntnis: Man muss das Ventil nach jedem Pumpen schließen, sonst zieht man wieder Luft rein. Hätten wir vier rostigen Nägel einmal nachgeschaut, wäre das klar gewesen. Der Werkstatttermin war ohnehin von 17:00 auf 19:00 verschoben worden. Also genug Zeit, es „richtig“ zu machen.
Jetzt klare Ansagen: „Auf“ – Pumpen – „zu“ – Pedal hoch. Stück für Stück kommt die Luft raus, die wir vorher so schön reingepumpt hatten.
Nach Versuch zwei sind wir uns sicher, die geilsten Mechaniker aller Zeiten zu sein. Wagen an, Alex tritt aufs Pedal – nichts. Der Blick aus dem roten Filter zu Ben und mir ist eine Mischung aus Verzweiflung und Unverständnis. Kurz vor meiner Kapitulation drückt Alex noch zweimal. Und siehe da: Druck. Und wie. Plötzlich ist da ein Kupplungsschleifpunkt, den es vor Rallye-Beginn nicht mal gab. Vor zehn Sekunden noch Schrauber ohne Glück und Verstand, jetzt wieder Werkstatt-Profis. Geschichten, die nur eine Rallye schreibt.
Da Fidi und Stephan ihren Auspuff zum zweiten Mal haben richten lassen, starten wir spät, aber happy Richtung Ulcinj. Ankunft nach 21 Uhr, stockfinster.
Nachtrag: Mitten am Tag, bei einem Stopp mit Gelaber und Bierchen, war klar: Alex und Sven hängt der rote SLK inzwischen am Herzen. Klingt vielleicht kitschig, aber wir kennen das Gefühl. Man will nicht scheitern – schon gar nicht „beinahe“ zweimal. Und wenn, dann will man es gerade mit dem unpraktischsten Rallye-Auto aller Zeiten schaffen, um ihn für 2026 neu aufzubauen.
Tag 7 Ulcinj – Berat (7 Uhr bis 23 Uhr)
Die Tage waren so hart, ich muss diesen Text mit einem Tag Versatz schreiben.
Die Erinnerungen sind nicht mehr frisch, wir haben wirklich alle Wunden zu lecken – vor allem der SLK und die verschallerten Jungs.
Wir starten eigentlich ziemlich idyllisch am Strand, Meeting-Time schon sehr früh. Wir dachten, dass wir uns um 6:30 treffen, weil es an der Grenze so lange dauern würde. Aber nein: Cornelius und Nina haben für heute insgesamt 230 Pistenkilometer geplant. Wenn man alles fährt. Unmachbar in unserem Vierergespann. Wir planen wie immer zusammen, Kat IV soll es schon werden. Die Ölwanne hält beim SLK, und der Berlingo von den TripNuts schafft das irgendwie auch. Zwar im Schneckentempo, aber: Ankommen ist das Ziel. Besprochen, gesagt, getan.
Wir kämpfen uns Minute um Minute vom Wald ins Gebirge. Es wird hakelig. Die Luft wird dünner, das Gemisch auch. Wir müssen das Eisenschwein um jede Kurve treten. Wie angekündigt, fängt es an zu regnen. Schlechtester Moment für ein Cabriodach Baujahr 1997, um zu beschließen, nicht mehr zu funktionieren. Im Zweifel ist alles verzogen durch die Reifen auf dem Deckel – aber Fehlersuche im Regen: geht nicht. Die Jungs sind jedoch bekloppt genug, einfach weiterzufahren. Drei Stunden, durch normalen Regen und heftige Schauer. Krank. Aber so ist Rallye (zumindest in einem Cabrio).
Wo man hochfährt, fährt man bekanntlich auch wieder runter (alte Rallye-Weisheit). Hier beginnt das „Unheil des Tages“. Fidi und Stephan haben die erste Reifenpanne (merken wir nicht – zu weit vorne), Alex und Sven beschließen aufzuschließen (was in einem SLK fairerweise unmöglich ist: Wir fahren quasi auf Unimog-Höhe mit Sportwagen-Ambitionen). Wir hingegen denken, dass die drei Teams zusammenbleiben. Die Konsequenz der fehlenden Kommunikation (eine Mischung aus „kein Netz“ und „zu weit weg für Funk“): Das SLK-Aquarium muss die Kat-III-Bergab-Passage (der einzige Grund, warum wir vier Stunden heraufgefahren sind) alleine bezwingen. Ein Rallye-No-Go: Wer hier abfliegt, ist im Zweifel nicht mehr sichtbar. Aber das kann keiner wissen, da alle etwas anderes annehmen.
Wir haben schlicht Glück. Wir fahren dem Regen davon, die Strecke ist eine wunderbare Mischung aus minimal Erde und Kies. Cornelius war extra auf uns zugekommen – das ist quasi Team-Sabotage-Country. Circa 30 Minuten lassen wir fliegen, ein Drift folgt dem anderen, das Fahrwerkssetup scheint genau dafür gemacht – ohne zu wissen, was sich hinter uns abspielt. Die SLK-Jungs erfrieren im Auto, im Wald bei Team Tuttifrutti und den TripNuts geht die Welt unter: regelrechte Sturzbäche. Wir hingegen rollen ziemlich gut gelaunt ins nächste Städtchen – und haben endlich wieder Empfang. Keine relevanten Nachrichten (hat ja auch keiner Empfang weiter oben), also steuern wir ein Café an.
Einschub:
Ich betrete das Café, frage nach „Bar oder Karte“ und bekomme selbst mit Handgesten keine verwertbare Antwort. Wir brauchen also Bargeld. Beim Ausparken setze ich zurück – und ramme ein albanisches Auto mit unserer Anhängerkupplung, die schon anderen Rallye-Teams zum Verhängnis wurde. Fuck it.
Als ich aussteige, erkenne ich: Ich habe ausgerechnet den einzigen fabrikneuen Ford C-Max in Schwarz Metallic im ganzen Land gerammt. Der glänzt so krass, der könnte ungelogen frisch vom Werk sein. Aus dem gerade noch betretenen Café kommt nun der (sorry, nicht xenophob gemeint) albanische Don auf uns zu. Ein kleiner, dicker „Lude“, zig Goldketten, ein riesiges Messer auf dem Unterarm tätowiert.
Ben und ich haben unterschiedliche Herangehensweisen. Während in mir der Araber hochkommt und ich sofort versuche, mich freizukaufen, kommt in Ben der Alman raus – er unterstellt dem gerammten Fahrzeug „Falschparken“ („you can’t park here“). Der „albanische Don“ wirkt darüber weder sonderlich amüsiert noch überzeugt. Entschärfend tritt der Fahrer hinzu und will wegfahren, nur der Don hält ihn auf und zeigt ihm den Schaden. Gut. Ich sehe mich schon eine Niere verkaufen.
Es folgt Inspektion, wildes Gestikulieren, der „Geschädigte“ zuckt mit den Schultern – und fährt weg. What?!
Ich versuche noch, etwas „Männlichkeit“ vor dem Don zu simulieren, klopfe ihm auf beide Schultern – falscher Move. Ben und ich wollen einfach nur weg, was dann auch geschieht. Zum ersten Mal auf der ganzen Rallye herrscht panische Stimmung. Wir flüchten in ein anderes Café und versuchen, nicht mehr aufzufallen.
Back to Rallye:
Sven und Alex stoßen wieder zu uns. Bzw. wir zu ihnen. Sie haben von nichts etwas mitbekommen – alle Handys und die Funkgeräte im Handschuhfach, dem einzigen trockenen Ort im SLK. Die anderen Teams haben inzwischen Empfang und keiner wusste bis jetzt, wo die beiden waren. Die Jungs wollen verständlicherweise erstmal ihr Verdeck manuell schließen, sodass die „How I Met Your Mother“-Style-Intervention warten muss.
Nach 30 Minuten sind wir wieder mit allen Teams an einem Ort. Von hier an wird es ein echter Kampf. Erst bekommen wir das Verdeck überhaupt nicht bewegt, dann will der Kofferraum nach der Notbetätigung des Verdecks nicht mehr einrasten. Wieder unterscheiden Ben und ich uns deutlich: Ben will das Problem und den Schließmechanismus bis auf die atomare Ebene verstehen (im Regen, im Dunkeln, nach diesem Tag), ich hingegen will es (vielleicht kommt da der „dumme“ Chirurg durch) einfach nur „abschließen“. Dem SLK ist aber beides egal – 1997 wurde das Teil auf jeden Fall so overengineered, dass wir nach 2–3 Stunden Hämmern, Rätseln und Verstehen mit acht klugen Köpfen aufgeben.
Wir sichern schließlich alles mit Spanngurten und machen uns irgendwie auf den Weg nach Berat. Abends heißt übrigens auf dem Balkan bei fehlender Straßenbeleuchtung stockfinster – sodass 3,5 Stunden Tour selbst auf guten Straßen eine Tortur sind.
Ein langer Tag geht um 23 Uhr in der „Stadt der tausend Fenster“ zu Ende – ein Tag, der bei uns allen deutliche Spuren hinterlassen hat.
Tag 8 – Berat nach Ioanina (Egal was wir machen, wie wir fahren – immer 7-20 Uhr)
Gestern hat Spuren hinterlassen. Vor allem, weil wir das Problem nicht verstanden haben. Mercedes hat das Ding so komplex gebaut, dass man es sich selbst nicht erklären kann. Nein, falsch: Wir können es uns nicht erklären.
Die Stimmung im Vierergespann ist gedrückt, es gibt einen kurzen, aber knackigen „Talk“ – und alle sind wieder auf Spur. Wir beschließen (auch um endlich mal im Hellen anzukommen), die erste Kat-III zu skippen und gleich in einen steilen Aufstieg einzusteigen, um dann durch ein Tal zu fahren (Tal Nummer 1.092.847 auf dieser Rallye – immer das schönste, tiefste, schwärzeste, talartigste Tal Europas), Richtung Griechenland.
Das Roadbook beschreibt es als „Kat III mit IV-Passagen“ und betont, es sei der offizielle Weg, den auch viele Locals nehmen (was nach unserer Erfahrung inzwischen gar nichts mehr heißt). Am Ende können wir sagen: Für uns war’s eine Kat IV, für SLK und Berlingo Kat V+. Es ist wirklich hart. Unerbittlich schrauben wir uns ins steinige Massiv. Hier liest sich das in zwei Zeilen gut, aber für den SLK und den Berlingo waren es vier bis fünf Stunden Kampf im ersten Gang.
Das Eisenschwein und der Tuttifrutti-Quattro meistern die Strecke gut und ohne Vorkommnisse, sodass wir immer 300 m fahren, 10 Minuten warten (man weiß ja nie: rausziehen, schieben, Ölwanne reparieren). Wir vertreiben uns die Zeit mit Quartettspielen (kein Scherz: Fidi hat ein „Massenmörder-Quartett“ dabei).
Mitten auf der Piste treffen wir (bzw. „holen wir ein“) einen Lada mit albanischen Nummernschildern. Bei einem der vielen Stopps fragt uns das (offensichtlich holländische) Pärchen, was wir hier eigentlich machen. Man merkt, dass etwas Unglauben mitschwingt. Wir versuchen, die Rallye so zu erklären, dass man uns inmitten einer Kat IV–V mit „normalen“ Autos nicht sofort für einweisungspflichtig hält. Kommt gut an – das Pärchen hat sich den Lada nämlich extra für so etwas gemietet (erwähnte ich meine heimliche Liebe für Ladas? Das sind einfach coole kleine Autos, über die Baureihen hinweg designtechnisch kaum verändert. Wie der 911. Lada und 911 – same same but different).
Da wir uns durch unsere „wir überholen euch und bleiben 300 m weiter stehen“-Fahrtechnik ungefähr zehnmal begegnen, schenken wir den beiden das Rallye-Booklet von gestern.
Nach einer Kat IV–V kommt ja oft eine Kat III, denn ein Gebirge endet bekanntlich selten auf einer Autobahn. Und die genießen wir umso mehr: steile Abhänge, lange Kurven, Schotter – Sabotage Country. Selbst beim geplanten Kaffee-Stopp „auf Cornelius’ Kosten“ (so morgens angekündigt: alle sind eingeladen) kurz vor der Grenze gibt’s noch eine kleine Kat III – und auch die nehmen wir mit viel Schwung. Zeit verlieren wir dadurch eigentlich keine.
Nach der Grenze (vollkommen entspannt, keine wirkliche Kontrolle – mein Tipp: hier kann man alles reinschmuggeln, wir hätten auch das Bernsteinzimmer auf der Rückbank haben können) lassen wir auf einer Kategorie I–II ausrollen. Es dämmert wieder, Ankunft im Dunkeln. Es zeigt sich also: Egal, was wir machen, wie wir fahren, wer fährt – man kommt nicht vor 20 Uhr an.
(Randnotiz: Selten in einem so geilen Hotel geschlafen. SOEST. Absolute Luxus-Topempfehlung. Braucht keiner, aber ist jeden Cent wert.)
Tag 9 – Ioannina nach Vasiliki (7–18:30)
Ausrollen lassen. Heute bitte keine Verwundeten mehr, denn wie Cornelius zu sagen pflegt: „Am letzten Tag ist bisher oft noch ein Team ausgefallen.“ (Und er soll recht behalten: Einer der vier Cayennes fällt heute mit Pleuellagerschaden kurz vor dem Ziel aus.)
Keine Kat IV, da sind sich alle im Vierergespann einig. Also viel Kat III. Eh besser. Eigentlich gibt’s wenig zu schreiben. Wie auch immer wir es schaffen: Wir schrauben uns nochmal 2000 m in ein Höhenmassiv, aber das Tempo ist gediegener. Viele im Fahrerfeld passieren sich im Wechsel, alle wollen nur noch ankommen.
Natürlich geht auch so ein Tag nicht ohne Reparaturen: Der Berlingo büßt seinen Auspuff ein. Fünf Männer schnell unters Auto (ich nicht – ich kann einfach nicht mehr schrauben). Ein paar Schellen hier, ein paar da – weiterfahren.
Zum ersten Mal sehen wir Strand auf dieser Rallye. Die Sonne scheint. Wir rollen wirklich in Vasiliki ein. Das erste Bier im Ziel, acht Teammitglieder zusammen – es ist das beste Bier seit Tagen.
Dass die beiden Jungs im SLK diesen Ritt so geritten sind, wie sie es sind (ohne Plan, hart am Gas, oft gescheitert), dass der Berlingo nicht in Flammen aufgegangen ist (normales Fahrwerk, von Werk kaum Leistung) und dass Stephan seine Rallye-Taufe mit Bravour gemeistert hat – alles irgendwie überwältigend.
Das Eisenschwein hat dank neuem Setup keine nennenswerten Reparaturen gebraucht. Der Radkasten hat sich durch die Stollenreifen freigeschliffen, das Tempo in Kat III war dank Höherlegung und Verstärkung höher als je zuvor. Zeit also (wie bei jeder Rallye), über wichtige Upgrades zu philosophieren – zum Beispiel einen stärkeren Motor. Aber das ein andermal.
Heute: ausklingen.